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Ein paar Zeilen über Sex und Videospiele

Ein paar Zeilen über Sex und Videospiele schreiben? Klingt nach simplem Plan und Freifahrtschein gleichzeitig. Zum ersten Mal darf ich mir hochoffiziell die bizarrsten Games und Webseiten anschauen und meine Freundin kann sich nicht beschweren. Sorry. Ist Arbeit. Geht nicht anders. Solange ich nicht vergesse hin und wieder einen angewiderten Blick aufzusetzen und ein rechtfertigendes "Boah wat iss dat eklich" zu murmeln, bin ich auf der sicheren Seite.

Also erstmal ein Bierchen geöffnet und den Aufhänger "recherchieren". Könnte man das Ganze um die für dieses Jahr angekündigten MMO aus der Pornobranche stricken? Was wäre eine gute Tagline? "Naughty America the game": Endlich auch Amerikaner gut zu Vögeln? Nicht gut, zuviel Holzhammer. Oder "Rapture Online": Jesus für uns am Kreuz genagelt? Auch nicht - zu blasphemisch und wer weiß, ob sich jeder in der christlichen Eschatologie auskennt.

Schalte ich einfach mal einen Gang hoch und schaue mir "Lovechess" an. Ist ja eigentlich eine ganz drollige Idee. Man zockt ein 3D-Schachspiel, bei dem die geschlagenen Figuren vor ihrem Abgang wenigstens noch einmal ordentlich gepimpert werden.

Fair zu den Verlieren und ein kreativer Umgang mit dem Umstand, dass Libido und Intellekt sich in aller Regel gegenseitig ausschließen. Ehrgeizige Zeitgenossen könnten zudem ihre Spieltaktik dahingehend ändern, vor einem Sieg möglichst viele Steine vom Brett genudelt zu bekommen. Das mag mancher als Mehrwert empfinden.Dummerweise gehöre ich nicht dazu. Schach und Erotik kriege ich nicht unter einen Hut. Ich kann sogar recht sicher behaupten, dass mir während des einen bisher nie das andere in den Sinn gekommen ist. Ganz alleine dürfte ich damit nicht dastehen.

Sex in Spielen: Bild 1Immerhin heißt es "Mach mir den Hengst" und nicht "den Springer". Darüber hinaus dürfte man mit der Ansage "Ich bin im Schachverein" beim ersten Date allein dann eine Punktlandung hinlegen, wenn man zufälligerweise versucht Garri Kasparow ins Bett zu bekommen.
Vielleicht bin ich einfach schwer erregbar? Packe ich also noch einen drauf und werfe einen Blick auf die härteren Vertreter der Zunft - nach dem Motto "viel hilft viel": "Virtually Jena", "EGirl", "ActiveDoll" oder "3D Plaything".

Kleinster gemeinsamer Nenner ist, dass es ohne Vorspiel direkt zur Sache geht ("You must be here to fix the cable"). Ein leidlich attraktives 3D-Modell zieht sich aus, geht in Pose und bekrabbelt sich mit abtörnender Entschlossenheit. Bei den in Concreto zum Einsatz kommenden Utensilien und der Art der Verwendung frage ich mich unwillkürlich, ob derartiges nicht einem Gynäkologen vorbehalten bleiben sollte oder - in manchen Fällen - wenigstens einem Gemüsehändler.

Dabei wird mit Details weiß Gott nicht gespart. Schwer verständlich erscheint in dem Zusammenhang das Zitat aus dem FAQ von Somasex: "Help! This woman has no vagina!"Nicht, dass die pinken Pixelhaufen den gewünschten Effekt hätten. Oder irgendeinen. Ich kann mich nicht einmal zu angewidertem Entsetzen durchringen. Rote Ohren bekomme ich überhaupt nur, als ich auf der Suche nach Inspiration ein Interview mit der SexInGames.com-Lady Brenda Brathwaite überfliege. Sagt sie doch: "Like any other form of content, there's a time and a place; it works best where it naturally fits."

Nachdem ich mein Bier vom TFT gewischt und die Tastatur ausgetauscht habe, entschließe ich mich, dass auch ein eigenes Interview mit ihr nicht in Frage kommt. Dazu sind ich und die Zeit noch nicht reif.Und was schreibe ich jetzt … ? Ist wenigstens noch Bier da? Meine Freundin steht mittlerweile hinter mir und blickt über meine Schulter. Ich mache mir nicht mal mehr die Mühe angewidert dreinzuschauen.

Langsam wünsche ich mir vielmehr, dass jemand die anfangs erteilte Generalabsolution wieder aufhebt. Dann gäbe es wenigstens den Reiz des Verbotenen. Schön ist offenbar das, was man nicht hat, was man nicht sieht.Was sich deutlich an "The Sims 2" zeigt. Denn selbst die familienfreundlichen EA-Pappkameraden bringen es in meiner Erinnerung noch zu einem gewissen Grad an Sinnlichkeit. Zwar sieht man bei deren "Techtelmechtel" genau Null und Nix.

Dieses Nichts muss man sich aber hart erkämpfen. Wie im echten Leben und im Leistungssport ist der Weg das Ziel. Wer würde ein RPG mit einem völlig ausgelevelten Charakter anfangen wollen? Nur weil er keine Hose trägt? Eben.Umso länger ich virtuelle Damen zum Orgasmus und mich zur Sehnenscheitentzündung klicke, umso verzweifelter werde ich. Denn Sex ist langweilig - wenigstens der virtuelle. Vielleicht ähnelt aber auch die von Frau Brathwaite völlig unsexy zum "Content" degradierte, schönste Sache der Welt in diesem Punkt nur allen anderen, denn es gilt "Phantasie ist jederzeit, schöner als die Wirklichkeit". Ich schließe die Augen.

Ein kurzer Test. Ja, funktioniert: Im meinem Geist entsteht innerhalb von Sekunden das perfekte Erotikspiel. Leider nur dort. Es scheint sich tatsächlich um ein grundlegendes Prinzip zu handeln, dass manche Dinge unbeschadet allein in Gedanken existieren können.Aber Moment! Das müsste man sich doch auch für Texte nutzbar machen können! Probeweise schlage ich folgendes Experiment vor: Auch ihr schließt die Augen und stellt euch vor, wie unfassbar fesselnd und gleichzeitig erotisch ein Artikel über Sex im Idealfall sein könnte. Bevor ihr sie wieder öffnet, verabschiede ich mich und gebe zurück in die angeschlossenen Funkhäuser.